Pädagogische Grundlegung für den Schulsport in Nordrhein-Westfalen

(Entwurf August 1998)
 

" 1.1 Auftrag des Schulsports

Mit dem Schulsport kommt die Institution Schule ihrer Verantwortung für den Aufgabenbereich nach, der sich durch die Begriffe Körper und Bewegung, Spiel und Sportabstecken lässt. In Spiel und Sport ereignet sich das pädagogisch Bedeutsame zunächst in und durch Bewegung, womit zugleich die Körperlichkeit der Schülerinnen und Schüler in besonderer Weise angesprochen wird. Darauf beruhen die Sonderstellung und die Unverzichtbarkeit dieses Aufgabenbereichs in der Schule. Schulsport ist jedoch in seinen pädagogisch bedeutsamen Wirkungen nicht auf die körperliche und die motorische Dimension der Entwicklung beschränkt, sondern versteht sich als wichtiger Ansatzpunkt ganzheitlicher Erziehung. Die Bewegungen, um die es im Schulsport geht, aktualisieren immer auch soziale Bezüge, Emotionen, Motive, Kognitionen und Wertvorstellungen. Insofern verdienen Unterrichts- und Erziehungsprozesse im Schulsport nachdrücklich das Attribut "ganzheitlich". Auch darauf beruht angesichts der Lebens- und Lernbedingungen der Heranwachsenden der unersetzliche Wert dieses Aufgabenbereichs.

Die Aufgaben des Schulsports werden im Sportunterricht und im außerunterrichtlichen Schulsport mit je eigenen Schwerpunktsetzungen eingelöst. Auch die fachübergreifenden Bemühungen um eine bewegungsbetonte und damit ganzheitlich orientierte Gestaltung schulischen Lernens und Lebens gehören in den weiteren Zusammenhang dieses Aufgabenbereichs.
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Gesundheit fördern, Gesundheitsbewusstsein entwickeln (F)

Gesundheit ist ein hoher individueller und gesellschaftlicher Wert. Sie zu sichern und zu fördern muss auch ein vorrangiges Anliegen der Schule sein. Wenn Gesundheitserziehung verhaltenswirksam werden soll, darf sie nicht nur aus Aufklärung bestehen,
sondern muss an praktisches Handeln und lebensweltliche Erfahrung anknüpfen. Das ist im Schulsport in besonderer Weise möglich. Bewegung, Spiel und Sport bieten wichtige Ressourcen zur Stabilisierung der Gesundheit, wenn sie gesundheitsgerecht und verantwortungsvoll betrieben werden: Der Sport kann einen Beitrag dazu leisten, die körperliche Leistungsfähigkeit und die psycho- physische Belastbarkeit zu verbessern. Im sportlichen Handeln können darüber hinaus körperliche Anstrengung und Regeneration erfahren und in ihrer Bedeutung für die Gesundheit eingeordnet werden; Körperreaktionen können wahrgenommen und gedeutet, emotionale Stabilität kann aufgebaut und soziale Integration erlebt werden. Im Sportunterricht sollte das von der Grundschule an zum Thema werden. Sport ist aber auch ein Feld mit eigenen gesundheitlichen Risiken. Deshalb ist es eine Aufgabe des Sportunterrichts, Schülerinnen und Schüler zu befähigen, einen nach Art und Maß individuell angemessenen Sport zu finden. Damit ist Gesundheitserziehung im Schulsport mehr als die Förderung gesundheitlich bedeutsamer Parameter durch
präventives Training. Es geht unter dieser Perspektive auch darum, Erfahrungen zu sichern, wie sich gesundheitsgefährdende Stressoren abbauen lassen, und Kompetenzen zu vermitteln, die ein regelmäßiges gesundheitsgerechtes Sporttreiben in eigener Verantwortung ermöglichen. Gesundheitliche Vorsorge ist allerdings für Kinder und Jugendliche kein wirksamer Antrieb zu sportlicher Aktivität. Deshalb haben gesundheitserzieherische Ansätze im Schulsport nur dann eine Chance, wenn sie an die Erfahrungen der Heranwachsenden anknüpfen und den Anschluss an Interessen und Betroffenheit der Schülerinnen und Schüler finden. Auch junge Menschen, deren Gesundheit in der Regel nicht in Frage gestellt ist, können Sinn darin sehen, ihre Fitness zu verbessern, sich mit ihrem Körper auseinander zu setzen und ihn durch Training zu verändern. Es kann ihr Interesse finden, ihre sportliche Aktivität unter gesundheitlichen Gesichtspunkten zu beurteilen und, wenn angezeigt, zu korrigieren. Erst recht können gesundheitserzieherische Zielsetzungen für Schülerinnen und Schüler bedeutsam werden, die bereits gesundheitlich gefährdet sind und deren Prognose durch regelmäßige Bewegung verbessert werden könnte. Das pädagogisch Bedeutsame, das hier jeweils unter einer Perspektive beschrieben wurde, ereignet sich nicht von selbst bei beliebigen sportlichen Aktivitäten; es muss vielmehr durch eine entsprechende Auswahl der Inhalte und eine geeignete Gestaltung des Unterrichts gestützt oder hervorgehoben werden. Die Inhalte aus dem weiten Gebiet der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur können auf unterschiedliche Weise zum Thema werden. Die Perspektiven verweisen auf die pädagogisch unverzichtbare Vielfalt von Thematisierungen für den Sport in der Schule. Sport ist, unter jeder Pädagogischen Perspektive betrachtet, ambivalent. Das heißt: Die Entwicklungschancen, die im Sport liegen, können nicht nur verfehlt werden - ihnen stehen auch Gefahren gegenüber. Daraus ergeben sich Hinweise für eine pädagogisch verantwortliche Gestaltung des Sports in der Schule. Der Schulsport soll ein Modell eines humanen, förderlichen Sports sein. Aus jeder Pädagogischen Perspektive ergeben sich auch Kriterien, unter denen bereits Kinder und Jugendliche lernen sollten, ihr Handeln im Sport und ihren Umgang mit dem eigenen Körper in zunehmender Selbständigkeit und Selbstverantwortung zu entwickeln. Indem der Schulsport dazu beiträgt, gewinnt er erzieherische Qualität. "

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