Grenzbereiche der Leistungssteigerung - Kreatin - HES und andere
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Kreatin

Wo liegt die Grenze zum Doping?

Ein Präparat steht seit längerem im Mittelpunkt dieser Diskussion: Kreatin.

Es handelt sich um eine biologische Verbindung der Aminosäuren Arginin, Methionin und Glycin. Je mehr Kreatin vorhanden ist, desto länger kann der Muskel auf hohem Niveau Leistung erbringen, ohne dass  Übersäuerung und Leistungsabfall entstehen. Wer sich Kreatin in hoher Dosis zuführt, erhöht so die Energiedepots seiner Muskeln.

Ulrich Haas, der Vorsitzende der deutschen Anti-Doping-Kommssion, will Kreatin am liebsten auf die Dopingliste setzen lassen. Grund: Kreatin werde in „widernatürlich hohen Dosen konsumiert" und sei daher ein „von außen zugeführtes Mittel zur Leistungssteigerung".
Fakt ist: Der Organismus selbst kann Kreatin herstellen, außerdem ist es in Fleisch und Fisch enthalten.
Der Wiener Sportmediziner Professor Paul Haber sagt, beim Kreatin handelt es sich um ein  „Nahrungsbestandteil, den man auch in Mischkost findet und somit nicht um Chemie oder Pharmazie, „sondern um den Versuch der Ernährungswissenschaft, das Beste herauszuholen". Kurzum, Kreatin sei „in Wahrheit völlig harmlos", so Professor Haber. Wer Kreatin auf die Dopingliste setzen wolle, könne auch gleich ein Verbot von Vitamin B verlangen. Spitzensportler wie Katja Seizinger, Manfred Nerlinger, Franziska van Almsick oder Marc Blume haben sich unverblümt als Kreatin-Nutzer geoutet. Nach Experten-Einschätzung konsumieren 70 bis 80 Prozent aller Schnellkraftsportler Kreatin. Und auch unter ambitionierten Freizeitsportlern boomt Kreatin gewaltig. Offen bleibt die Frage: Doping oder nicht? Solange sich die Experten nicht einig sind, gibt es weiterhin in jeder Apotheke Kreatin-Tabletten.

Ulrich Haas, fordert im Nachrichtenmagazin Focus, den "Muskelturbo" möglichst schnell auf die Liste der verbotenen Substanzen zu setzen. In widernatürlichen hohen Dosen konsumiert, sei Kreatin eindeutig "ein von außen zugeführtes Mittel zur Leistungssteigerung und somit schon aus ethisch-moralischen Gründen zu verbieten". Der Leiter des Instituts für Dopinganalytik in Köln, Wilhelm Schänzer, geht davon aus, daß mittlerweile "mindestens 70 bis 80 Prozent der Athleten in Schnellkraftsportarten Kreatin nehmen".


 
Wissenschaftliche Grundlagen zum Kreatinkinase System
               "Kreatin ... ist eine schon seit mehr als 150 Jahren bekannte Substanz.
               Entdeckt wurde sie 1834 von dem Franzosen Chevreul als Bestandteil in der
               Fleischbrühe. Justus von Liebig wies Kreatin 1847 methodisch zuverlässig als
               Komponente im Fleisch verschiedener Säugetierarten nach. In dem nach ihm benannten
               Fleischextrakt stellt es einen wesentlichen Inhaltsstoff dar. Kreatin ist eine körpereigene
               Substanz die z.T. im Körper selber gebildet oder über die Nahrung, vor allem mit
               Fleisch und Fisch, aufgenommen wird. Im Körper einer Person von 70 kg sind ungefähr
               100-120 Gramm dieser Substanz vorhanden, vorwiegend in den Skelettmuskeln, im
               Herzmuskel und im Gehirn. Der tägliche Bedarf beträgt ca. 2-4 Gramm. Kreatin kommt
               als natürliche, biologische Substanz übrigens auch in der Muttermilch von Mensch
               (Hülsemann et al. 1987) und Tier (Kennaugh et al. 1997) vor.

               Kreatin wird mit Hilfe des Enzyms Kreatinkinase (CK) zur energiereichen Verbindung
               Phospho-Kreatin "aufgeladen". Diese chemische Energie steht dann in den Organen und
               Zellen für vielfältige Aufgaben zur Verfügung, z.B. für die Kontraktion von Skelett- und
               Herzmuskeln, sowie für die Aufrechterhaltung des internen Zellmilieus durch
               energetische Versorgung von Ionenpumpen (Kalzium- und Natrium/Kalium Pumpen). In
               der Zelle wird nämlich an Ort und Stelle des Energieverbrauchs mittels des Enzyms,
               Kreatinkinase (CK), und dem energiereichen Phospho-Kreatin ATP
               (Adenosintriphosphat) hergestellt, das in allen Lebewesen als universelle
               Energiewährung für alle biologischen Vorgäng, die Energie verbrauchen, benützt werden
               kann. "...

               "...Nachdem das Schweizerische Bundesamt für Gesundheitswesen in Bern (BAG) Kreatin
               als Nahrungsmittelzusatz geprüft und seit August 1995 zugelassen hat, wird Kreatin als
               Aufbaumittel von Athleten für praktisch alle Sportarten angewendet. Mit Kreatin als
               "natürlichem Leistungsverbesserer” sind an nationalen und internationalen Wettkämpfen
               schon einige Goldmedaillen gewonnen worden. In einem Communiqué vom 14. Dez.
               1998 hat das Internationale Olympische Kommitee (IOC) in Lausanne in einer offiziellen
               Stellungnahme verlauten lassen, dass es keine objektiven Gründe gibt, Kreatin auf die
               Doping-Liste zu nehmen und dass Kreatin von Sportlern und Athleten weiterhin als
               erlaubte Nahrungsmittelergänzung zur natürlichen Leistungssteigerung eingenommen
               werden darf. Kreatin empfiehlt sich deshalb auch für gut trainierte Freizeitsportler,
               Bergsteiger etc., die oft an die Grenzen ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit kommen,
               nicht nur wegen der Steigerung der effektiven körperlichen Leistung, sondern auch weil
               die Erholung von grossen Anstrengungen verbessert und beschleunigt wird (Greenhaff et
               al. 1994: Aaserud et al. 1988)."


Blutplasma Expander HES
             Aufsehenerregendes Geständnis: Langstreckenläufer Stephane Franke gab zu, er
              und Hindernis-Europameister Damian Kallabis hätten bei der Leichtathletik-EM im
              August den möglicherweise leistungsfördernden Blutplasma-Expander HES benutzt.
              Franke, EM-Dritter über 10 000 Meter, beteuerte in seiner
              Erklärung allerdings erneut, er und Kallabis hätten nie Blutdoping mit Erythropoietin
              (EPO) betrieben. Ob beiden nun ein Verfahren wegen Medikamentenmißbrauchs
              droht, konnte Rüdiger Nickel, Sportwart des Deutschen Leichtathletik-Verbandes
              (DLV), nicht beantworten. Eine Verwendung von HES soll künftig im DLV
              verboten werden. Franke stellte in seiner Erklärung, die dem DLV seit Mittwoch
              vorliegt, fest: "Ja, wir haben in Budapest das Mittel HES benutzt." Aber man habe
              nichts Verbotenes getan, sonst wäre man nicht an offizielle DLV-Ärzte
              herangetreten. Das Mittel habe ihm auf Wunsch der Freiburger Orthopäde Dr.
              Heinz Birnesser verabreicht, weil es in Budapest heiß und schwül gewesen sei.
              Kallabis habe die Infusion von dessen Kollegen Dr. Uwe Wegner (Hannover)
              erhalten. Franke erklärte, er habe HES schon 1995 bei der WM in Göteborg vom
              damaligen DLV-Chefarzt Prof. Dr. Wilfried Kindermann (Saarbrücken)
              bekommen.

              Kindermann bestätigt dies. Der Leiter des Sportmedizinischen Instituts der
              Universität Saarbrücken erklärte die Wirkungsweise von HES so:
              "Blutplasma-Ersatzstoffe wie HES können unter anderem die Fließeigenschaften
              des Blutes verbessern, wobei möglicherweise die Wärmeabgabe des Körpers
              begünstigt wird." Er habe das Mittel vor dem Wettkampf verabreicht, weil der
              Athlet über positive Erfahrungen mit dieser Substanz berichtet habe. Kindermann:
              "Ich habe nichts Verbotenes getan."

              Birnesser, Leiter der Abteilung Sportorthopädie und Sporttraumatologie an der
              Universität Freiburg, sieht die medizinische Indikation in der Vorbeugung gegen
              übermäßigen Flüssigkeitsverlust bei Hitze. Der Mediziner spricht dem
              Blutverdünner eine leistungssteigernde Wirkung nicht ab.
         (4.12.98, Rhein-Zeitung)