Die funktionale Ablaufanalyse bei Göhner


Der Bewegungswissenschaftler Göhner hat das Phasenmodell von Meinel weiterentwickelt und ist dabei besonders auf die Funktionalität einzelner Bewegungsabschnitte eingegangen.
U. Göhner: Wie sich sportliche Bewegungen analysieren und strukturieren lassen
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"GÖHNER ... beginnt nicht mit der Festlegung bestimmter Funktionsstrukturen oder verschiedener Phasentypen. Diese ergeben sich vielmehr erst als Ergebnis seiner Bewegungsanalysen. Ausgangspunkt ist für ihn die Definition eines grundlegenden Analyseelements, das er als Funktionsphase bezeichnet (1979 a, 119):

"Unter einem funktionalen Verlaufsabschnitt bzw. unter einer Funktionsphase soll jener Geschehensabschnitt eines Bewegungsablaufs verstanden werden, für den sich aufzeigen läßt, daß das, was während dieses Geschehens vom Bewegersystem ausgeführt wird, eine bestimmte Funktion hat - im Hinblick auf die mit der Bewegung zu erreichenden Bewegungsziele und die dabei einzuhaltenden Bedingungen."

Hat man die Funktionsphasen einer Bewegung erkannt, dann ergeben diese kein beliebiges Gebilde, sondern sind in sich geordnet. Zwischen ihnen können funktionale Abhängigkeitsbeziehungen bestehen, die GÖHNER (1979 a, 178ff) als Grundlage für ihre Klassifizierung heranzieht. Grob betrachtet, gibt es dabei zunächst einmal zwei Möglichkeiten: Ein Bewegungsabschnitt kann entweder funktional abhängig von einem anderen oder funktional unabhängig sein. Als funktional abhängig ist eine Phase dann zu bezeichnen, wenn ihre Funktion nur dadurch beschrieben werden kann, daß auf eine weitere Funktionsphase Bezug genommen wird (1979 a, 178). Bei funktional unabhängigen Abschnitten ist es dagegen nicht notwendig, andere Phasen zur Funktionsbeschreibung heranzuziehen. Ihre Bedeutung ergibt sich allein aus den Bezugsgrundlagen, insbesondere aus den vorgegebenen Bewegungszielen.
Beispiele für funktional unabhängige Phasen sind das Überqueren der Latte beim Hochsprung, die Phase des Ballkontakts beim Tennisschlag oder die Flugphase bei einer Saltobewegung. Der Anlauf zum Sprung und das Ausholen zum Schlag haben dagegen eine vorbereitende Funktion (Erreichen einer möglichst guten Ausgangsposition) für andere Geschehensabschnitte und sind daher als funktional abhängig einzuordnen.

Auf Grund der Einführung der funktionalen Abhängigkeitsbeziehungen ergeben sich also zunächst einmal zwei Phasentypen. Für die funktional unabhängigen Abschnitte wählt GÖHNER den Begriff Hauptfunktionsphase während er für die funktional abhängigen Abschnitte den Begriff Hilfsfunktionsphase verwendet. Dabei wird im Gegensatz zu den Gliederungen von MEINEL und RIELING nicht behauptet, daß alle (azyklischen) Techniken im Sport bzw. Gerätturnen eine gleiche Funktionsstruktur besit-zen.
Hinsichtlich der Hauptfunktionsphase läßt sich z. B. nur ableiten, daß es mindestens eine solche in jedem Bewegungsablauf geben muß. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß
 

Auch die Anordnung der Hilfsfunktionsphasen ist nicht bei allen sportlichen Bewegungen gleich. Unter Beachtung der Zeitfolge kommt GÖHNER zu einer Typisierung der funktionalen Abhängigkeiten. Er unterscheidet zwischen vorbereitenden, unterstützenden und überleitenden Abschnitten, je nachdem, ob bei der Kennzeichnung der Funktion der entsprechenden Phasen auf nachfolgende, zugleich ablaufende oder bereits abgelaufene Funktionsphasen Bezug genommen wird (1979 a, 184). Die Hilfsphasen lassen sich weiterhin in solche erster, zweiter und höherer Ordnung unterteilen, in  Abhängigkeit davon, ob ihre Hilfe der Hauptphase gilt oder der ersten, zweiten usw. Hilfsphase, die dem Hauptabschnitt vorangeht oder nachfolgt (GÖHNER 1975, 6).
 

Funktionsstruktur (im Sinne GÖHNERs) des "Handball-Sprungwurfs aus dem Lauf", der bereits bei der Beschreibung der ablaufrelevanten Bezugsgrundlagen als Beispiel herangezogen wurde.

Ein weiteres Beispiel:  Felgrolle am Boden
 

...Das Sprungwurf-Beispiel verdeutlicht, wie funktionale Lehrstoffanalysen zur Beantwortung jener Fragen beitragen können, die zu Beginn dieses Abschnitts gestellt wurden. Es konnte aufgezeigt werden, bis in welche Einzelheiten eine Aufgabenlösung schon dadurch festgelegt sein kann, daß bestimmte Gegebenheiten und Gefordertheiten zu berücksichtigen sind. Weitere Notwendigkeiten für den Ablauf sportlicher Techniken erkennt man dann, wenn auf die Bewegungsvollzüge selbst bzw. genauer auf ihre Funktionsstrukturen eingegangen wird. Erst bei umfassender Einsicht in die ablaufimmanenten Bedingungen kann vollständig beurteilt werden, welche Bewegungsbestandteile welche Funktionen erfüllen und ob es angebracht erscheint, sie immer in dieser oder jener Form auszuführen. Damit wird es auch möglich, den Freiraum, der dem Sportler bei der Auswahl und Durchführung von Techniken erhalten bleibt, systematisch zu beschreiben. Viele Aufgaben oder Teilaufgaben im Sport können nämlich durch verschiedene Operationen funktional gleichwertig gelöst werden. Alternativen sind eigentlich nur dann ausgeschlossen,
 


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