Die Bedeutung von Alter und Geschlecht beim Krafttraining
(nach Grosser/Starischka/Zimmermann)Zur Zeit gilt noch die These, daß Krafttraining unterhalb des 10. Lebensjahres bei Jungen (unterhalb des 8. Lebensjahres bei Mädchen) keinen Effekt hat. Hierbei muß allerdings einschränkend gesagt werden, daß die auf koordinative Verbesserung zurückzuführende Kraftsteigerung natürlich auch in diesem Alter zu beobachten ist.
"...Zur Frage der Kraft-Trainierbarkeit ist auf den Einfluß verschiedener Faktoren hinzuweisen: hierzu zählen unter anderem Alter und Geschlecht. Man begründet in beiden Fällen die unterschiedliche Kraftentwicklung und -trainierbarkeit mit differierenden Werten des Hormons Testosteron, dessen muskelaufbauende Wirkung bekannt ist. Bereits vor der Pubertät weisen Jungen einen höheren Testosteronspiegel im Blut (ca. 42 ng/100ml) auf als Mädchen (19 ng/100ml).
Dies erklärt evtl. die etwas größere Kraft der Jungen, jedoch würde es eine grobe Vereinfachung der komplizierten Zusammenhänge darstellen, wollte man den Grad der Kraftentwicklung lediglich mit der Höhe des Testosteronspiegels korrelieren.
Neben der Wirkung auf die Muskelfaser und die Koordination muß allerdings auch die Wirkung eines Krafttrainings auf das Skelettsystem beachtet werden.Im Alter von 8-11 Jahren (vorpuberale Phase) ist der Knochen soweit gefestigt, daß ein leichtes Krafttraining möglich und für die Haltemuskulatur auch notwendig ist. Jedoch ist die Wirkung auf die noch nicht geschlossenen Epiphysenfugen und damit auf das weitere Längenwachstum nicht genügend geklärt.
In der Phase des zweiten Gestaltwandels (11-13 Jahre = 2. Längenwachstum) kommt es zu einer neuerlichen Umstrukturierung der Knochenbälkchen, so daß in dieser Phase die Entwicklung all zu großer Muskelkraft sicherlich eher ungünstige Veränderungen am Skelettsystem bewirkt als dies bei abgeschlossener Entwicklung möglich wäre. Erst mit abgeschlossener Entwicklung wird der Knochen fähig sein, der angreifenden Muskelkraft genügend Stabilität entgegenzusetzen.
Die Wirkung eines Krafttrainings auf das ausgereifte Skelettsystem ist bekannt: Je früher und je intensiver ein Krafttraining durchgeführt wird, desto ausgeprägter sind die Wirbelsäulenveränderungen. Es handelt sich hierbei um eine Verdickung der Deckplatten und der Wirbelkörper, die zu einer Änderung im Ansatzwinkel der Rückenmuskulatur führen (inwieweit sich solche für eine starke Muskulatur günstige Anpassungen ungünstig bei einer mit zunehmendem Alter zu erwartenden Abnahme des »Muskelkorsettscc auswirken, ist unbekannt). Nach 3-5 Jahren Krafttraining ist an den Röhrenknochen der Extremitäten eine Vergrößerung des Diaphysendurchmessers, eine Zunahme der Dicke der Kortikalschicht und der Knochenvorsprünge am Muskelansatzpunkt zu erkennen. Mit zunehmender Produktion von Testosteron (männl. Sexualhormon) ist bei den Jugendlichen eine steigende Kraftentwicklung und Krafttrainierbarkeit zu beobachten, so daß im Alter von 15-25 Jahren Männer einen Maximalwert bzgl. der Krafttrainierbarkeit erreichen.
Wird ein Krafttraining durchgeführt, so fällt der größte Kraftzuwachs zwar in die ersten 3-5 Trainingsjahre, jedoch läßt sich auch noch nach 10 Jahren Training ein Leistungszuwachs verbuchen ..
Die Durchführung eines Krafttrainings bewirkt bei Frauen im Prinzip die gleichen Anpassungserscheinungen wie bei Männern. Daß ein Leistungszuwachs nicht im gleichen Maße (prozentual) zu verzeichnen ist, muß mit dem Mangel an männlichen Sexualhormonen erklärt werden, deren anaboler (= eiweißaufbauender) Effekt die Hypertrophievorgänge bewirkt. Während also die auf koordinativen Verbesserungen beruhende Leistungssteigerung keinen Unterschied zeigt, wird die hypertrophieabhängige Komponenteder Muskelkraftzunahme beim weiblichen Geschlecht geringer ausfallen..."
(zitiert nach Grosser/Starischka/zimmermann - Konditionstraining, München 1985 S. 50ff)
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