Blutdoping und EPO


 

Läufer planen freiwillige Tests
Baumann & Co. sagen Blutdoping den Kampf an 

DARMSTADT. Deutschlands Langstreckenläufer wollen bis aufs Blut gegen Doping kämpfen. Mit "Lichtgestalt" Dieter Baumann an der Spitze hat sich eine Athleten-Initiative zur Bekämpfung des Blutdopings gebildet. "Das Doping-Problem ist größer als vor sechs oder sieben Jahren, weil mehr Mittel als damals auf dem Markt sind, die man noch nicht nachweisen kann", erklärte Baumann. Im Ausdauersport gilt das rote Blutkörperchen produzierende Erythropoietin (EPO) als Wunderdroge.
Alle A- und B-Kader-Athleten des DLV in den Disziplinen "800 Meter bis Marathon" sollen sich bis Anfang Januar zu freiwilligen Bluttests bereit erklären, um individuelle Profile des körpereigenen EPO zu erstellen. Nur auf diese Weise erscheint derzeit ein Mißbrauch nachweisbar.
Auf Anhieb unterschrieben 13 Kader-Mitglieder, darunter Baumann, eine Erklärung mit dem Wortlaut, "in Zukunft an unangemeldeten Blutkontrollen teilzunehmen". 
Eine Art Speerspitze, erklärt der Wattenscheider Hindernisläufer Marc Ostendarp: "Wir wollen die Arbeit der Anti-Doping-Kommission beschleunigen."Ostendarp sieht die Initiative durchaus in Zusammenhang mit der Affäre um Hindernis-Europameister Damian Kallabis und Stephane Franke, die die Einnahme des Blutplasma-Expanders HES bei der EM in Budapest zugegeben hatten. Auch Franke und Kallabis wollen sich Blutkontrollen unterziehen.
Der DLV-Anti-Doping-Beauftragte Theo Rous begrüßt das geschlossene Vorpreschen der Athleten, bremst aber die Erwartungen: "Die Bereitschaft der Sportler zu den Tests genügt nicht. Bevor Profile angelegt werden können, müssen die laufenden Blutstudien der Kontroll-Institute in Kreischa und Köln abgeschlossen sein. Dann muß auch ein juristisch hieb- und stichfestes Konzept her."

EPO gilt  (neben dem erlaubten Kreatin) als die absolute Modedroge im Sport, v.a.im Ausdauersport.  Die Substanz erhöht die Anzahl der roten Blutkörperchen und damit die Sauerstoffaufnahmefähigkeit des Blutes.
 

(Meldung sid vom 23.11.98)

Blutdoping und Epo-Doping sind in der Geschichte des Dopings durchaus getrennte Entwicklungen. Bekannt ist das eigentliche Blutdoping (Transfusion von Eigen- oder Fremdblut) seit den Olympiasiegen des finnischen Langstrecklers Lasse Viren (1972).
Epo ist ein künstlich hergestelltes Mittel zur Erhöhung der Anzahl der roten Blutkörperchen und damit der Sauerstoffaufnahmefähigkeit des Blutes.
Bei beiden Methoden ist der Nachweis schwer zu erbringen.

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Blutdoping | Epo (Erythropoietin) | Dopinganalytiker W. Schänzer über EPO
genetische Zusammenhänge


 

Blutdoping
 
 

5000/10000-Olympiasierger Viren 1972;
Gab später Blutdoping zu

Seit langem ist bekannt, dass Bluttransfusionen zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit beitragen können. Kombiniert man nun auch noch eine Eigenbluttransfusion mit dem Höhentraining (durch die vermehrte Anzahl an Erythrozyten gilt die Formel: Mehr Sauerstoff = mehr Ausdauer = bessere Leistung), welches zu einer verstärkten Produktion von Erythrozyten verbunden ist, so müsste zumindest theoretisch die Ausdauerleistungsfähigkeit steigen, da eine bessere Sauerstoffversorgung der Muskulatur gegeben ist.
 

Dieses Phänomen wird für Dopingzwecke genutzt. Einige Athleten lassen sich kurz vor dem Wettkampf Eigen- oder Fremdblut - etwa vier Wochen vorher entnommen - injizieren, um damit über die erhöhte Anzahl an roten Blutzellen ihre (Ausdauer-)Leistungsfähigkeit zu steigern.

 


 


 

Erythropoetin (EPO)
 

Erythropoetin (EPO) ist ein in der Niere produziertes körpereigenes Hormon, das die Bildung roter Blutzellen (Erythrozyten) in den Stammzellen des Knochenmarks anregt. Erythrozyten binden in der Lunge Sauerstoff und transportieren diesen zur Versorgung der Zellen in die verschiedenen Körperregionen wie die Muskulatur. Die EPO-Wirkung bei der Erythrozytenbildung wird verstärkt durch verschiedene andere Hormone, wie zum Beispiel Androgene, Thyroxin und das Wachstumshormon.

Seit 1983 ist es möglich EPO synthetisch herzustellen. Erstmals war es damals Wissenschaftlern gelungen, das menschliche Erythropoetin-Gen zu klonen.  Eine durch EPO-Einnahme gesteigerte Anzahl an rotenBlutzellen verbessert die Sauerstoffaufnahmekapazität des Bluts und bewirkt  im Endeffekt eine Steigerung der Ausdauer.
 
 
Der Nachweis von EPO-Doping ist schwierig, da sich körpereigenes und synthetisches Erythropoetin kaum unterscheiden. Doch die Dopingfahnder  suchen emsig nach einem geeigneten Verfahren, gilt doch EPO-Doping als überaus verbreitet. Viele Wissenschaftler gehen beispielsweise im Radsport davon aus, daß mindestens 50 Prozent aller Fahrer zu EPO greifen, andere sprechen sogar von 90 Prozent. 
In einigen Sportarten misst man deshalb im Rahmen der Dopingkontrollen seit einigen Jahren den Hämatokrit-Wert der Sportler, das heißt den Anteil der roten Blutkörperchen (Hämoglobin) am Gesamtblut.
Die Hämatokritwertbestimmung ist bei den Wissenschaftlern umstritten. Schon bei Nichtsportlern schwankt der Hämatokritwert unter Umständen stark.Wilhelm Schänzer, Leiter des Kölner Instituts für Biochemie: "EPO kann man nicht kontrollieren, es ist derzeit nicht nachzuweisen." Und in nächster Zukunft auch nicht: "Im Moment ist das unrealistisch."
(nach sid 16.9.1999)




 

Der Dopinganalytiker W. Schänzer über EPO und die Verantwortung der Sportverbände

Neue Zürcher Zeitung 24.7.99
 
Herr Schänzer, Befürworter einer kontrollierten Dopingvergabe nennen als Argument, dass die Sportler den gegenwärtigen Anforderungen des Leistungssports nicht mehr gewachsen seien. Widerlegen die Resultate der Dopingfahndung diese Behauptung?

Man sollte Spitzenleistungen nicht immer mit Dopingmitteln in Verbindung bringen. Der Mensch ist ganz sicher zu extremen Leistungen fähig. Dazu braucht er keine Dopingsubstanzen. In den Jahren vor Epo hat es an der Tour de France punkto Anforderungen keine gravierenden Unterschiede gegeben. Da sind genauso wie heute extreme Streckenprofile gefahren worden.

Wenn wir uns zum Beispiel die Entwicklung im 100-m-Lauf der Männer anschauen, hat es dort auch keine riesigen Leistungsexplosionen gegeben; auch nicht im Vergleich mit jenen Zeiten, als noch nicht mit Anabolika im Leistungssport gearbeitet wurde. Anders gestaltet sich die Situation vor allem in den Wurfdisziplinen der Frauen. Dort sehen wir, dass es seit der Einführung der Trainingskontrollen 1988/98 zu einem Rückgang der Leistungen gekommen ist. Die Kontrollen scheinen Wirkung gezeigt zu haben. Ich glaube, dass der Einsatz von anabolen Steroidhormonen, mit denen man gerade bei Frauen Leistungsverbesserungen erzielen kann, von anderen Substanzen nicht ohne weiteres kompensiert werden kann.

Der Einsatz der gegenwärtig beliebten Substanz Epo folgt doch eher dem Prinzip des Blutdopings.

Epo ist vor allem für den Ausdauerbereich von Interesse. Das ist eine ganz neue Dimension. Blutdoping wurde schon zu Beginn der siebziger Jahre praktiziert. Man nimmt Blut ab, und nachdem genügend Blutkörperchen nachgebildet sind, führt man Blut zu, um mehr rote Blutkörperchen zur Verfügung zu haben. Epo wird von aussen zugeführt. Nutzen und Gefahren beim Epo sind nach wie vor umstritten. Zuverlässige Informationen über den Leistungszuwachs bei Spitzensportlern liegen aber noch nicht vor. Bei unkontrollierter Einnahme kann es zu Nebenwirkungen bis hin zu Thrombosen kommen.

Ebenso fehlt es noch an einem zuverlässigen Nachweisverfahren. Als Indiz gilt lediglich der im Blut gemessene Hämatokritwert. Teilen Sie die Ansicht von Kritikern, die anmerken, der im Radsport gesetzte Toleranzwert von 50 sei willkürlich gesetzt?

Mit der Einführung des Hämatokritwertes hat der Radsportverband zumindest einen Versuch unternommen, den groben Missbrauch einzudämmen. Es ist aber keine Methode, die einen wissenschaftlich gestützten Epo-Nachweis ermöglicht. Man muss sich meines Erachtens an Referenzwerte halten, die man ermitteln muss; man muss ein statistisches Verfahren einsetzen und daraus Schlussfolgerungen ziehen. Ein Beispiel: Einer von 1000 Athleten liegt ausserhalb des Normbereichs, der hat möglicherweise mit Epo gearbeitet. Dass die UCI den Wert nun bei 50 gelegt hat, das ist meiner Ansicht nach schon willkürlich gewesen. Es gibt auch Fahrer, die kontinuierlich Werte von über 50 aufweisen und deshalb eine Freistellung erhalten. Das Ärgerliche im Falle des Hämatokritwertes ist, dass sich der Wert von aussen recht leicht beeinflussen lässt (so auch durch die reichliche Zufuhr von Wasser. Anm.). Das zweiwöchige Startverbot, das der Radsportverband bei Abweichungen erlässt, ist auch keine Dopingsperre. Der Fahrer gerät jedoch in den Verdacht des Dopings mit Epo, wie gegenwärtig Marco Pantani, mit dessen Fall sich in Italien die Staatsanwaltschaft beschäftigt. Dadurch entsteht oftmals vorschnell ein negatives Image, das nicht immer gerechtfertigt ist.

Der ehemalige Radprofessional Rolf Wolfshohl berichtete, dass man Fahrern in der FreiburgerUniversitätsklinik Medikamente mitgegeben habe, ohne deren Inhaltsstoffe zu nennen. Man habe den Athleten lediglich gesagt, dass diese Medikamente leistungssteigernd wirken würden.

Das ist eine Sache, die im Leistungssport sehr häufig praktiziert wird: Man versucht, zu substituieren. Und zwar mit irgendwelchen Substanzen, die der Körper selber nicht produzieren kann oder die möglicherweise die körpereigene Produktion ergänzen. So versucht man permanent mit Mitteln, die nicht auf der Dopingliste stehen, Leistungsverbesserungen herbeizuführen. Kreatin zum Beispiel wird augenblicklich von sehr vielen Sportlern eingenommen. So ist aus meiner Perspektive schon das Verabreichen von Infusionen an Spitzensportler fragwürdig. Es ist zwar erlaubt, jedoch letztlich eine künstliche Massnahme der Regeneration durch Nährstoffzufuhr. Im natürlichen Fall erfolgt diese durch die Nahrungsaufnahme.
...
Ihr Mitarbeiter Andreas Breidbach äusserte sich gegenüber der NZZ pessimistisch: Wenn endlich ein Nachweisverfahren für Epo existiere, hätten sich die Professionals längst anderer Substanzen bedient.

Das sehe ich anders. Wenn eine Substanz da ist, die effektiv eine Leistungsverbesserung bringt, das haben wir bei den anabolen Steroiden gesehen, werden diese immer wieder auffällig. Man kommt von diesen Substanzen erst dann weg, wenn man zuverlässige Nachweisverfahren zur Hand hat und die Athleten so gezwungen sind, sich anderen Präparaten zuzuwenden. Die Frage ist nur: Gibt es solche Präparate auf dem Markt? Die Anabolika sind in den sechziger Jahren auf den Markt gelangt. Und immer noch sehe ich keine Mittel, die den Effekt von Anabolika auch nur annähernd kompensieren können.

Wie lange dauert es, bis ihnen zuverlässige Informationen über neue Dopingsubstanzen vorliegen?

Das ist sehr unterschiedlich, zumal man diese Informationen auch auf ihre Zuverlässigkeit überprüfen muss. Wir haben schliesslich keine Leute in die Professionalszene eingeschmuggelt, die uns mit Informationen beliefern können. Zumeist stammen die Informationen von Kontrolleuren, denen etwas zugetragen wurde, in anderen Fällen auch von Athleten, die wir des Dopings überführt haben. Im Falle von Epo lagen Donike und mir Informationen seit 1993 vor, also etwa zwei Jahre nachdem die Sportler mit dem Experimentieren begonnen hatten.

Skeptiker merken an, dass der Einsatz von Epo die Richtung weise zu Genmanipulationen im Leistungssport. Wenn der Körper die Produktion von Hormonen selbst übernehmen könnte, wie wäre es dann um die Nachweisbarkeit bestellt?

Der genmanipulierte Sportler? Das ist natürlich die Horrorvision für die Zukunft. Wenn es den genmanipulierten Menschen gibt, wird es auch den genmanipulierten Sportler geben, davon gehe ich aus. Voraussetzung ist, dass therapeutische Verfahren existieren, die einsetzbar sind. Aber die gibt es bisher noch nicht. Inwieweit sich dadurch Leistungsverbesserungen erzielen lassen, ohne den Körper zu schädigen, das werden wir erst mal noch nachweisen müssen. Wenn Versuchstiere Muskelmasse ansetzen und später dann zusammenbrechen, sind wir sicherlich mit einer bedenklichen, offenen Frage konfrontiert. Aber ich bin nicht davon überzeugt, dass es gelingen wird, Menschen genetisch so zu «züchten», dass es zu permanenten Spitzenleistungen kommt.

Begreift man den Sport als einen Teil der Gesellschaft, erschliesst sich ein betrübliches Bild: Der Sport wird sich des Dopings sicher nicht entledigen können.

Ja, so ist es eben. Wir können lediglich den Missbrauch einschränken. Im Spitzensport ist schon viel erreicht worden. Aber zu sagen, wir bekommen den Spitzensport sauber, das ist eine Illusion. Das Einschränken von Missbrauch wird sich weiterhin nur erfolgreich gestalten lassen, wenn weltweit auf dem gleichen Niveau in der Dopinganalytik sowie bei den Trainings- und Wettkampfkontrollen gearbeitet wird.



3.8.00
IOC-Zustimmung zu EPO-Test in Australien begrüßt

Sydney (dpa) - Die Zustimmung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zu einem Doping-Test für Erythropoietin (EPO) ist im Olympia-Land Australien begeistert aufgenommen worden. «Absolut wundervoll» war die Reaktion des zweimaligen Schwimm-Olympiasiegers Kieren Perkins.

Ein Expertengremium des IOC hatte am Mittwoch in Lausanne der Einführung des Tests zugestimmt. Falls der kombinierte Blut- und Urintest der Überprüfung der IOC-Rechtsexperten standhält, soll das Exekutivkomitee ihn am Monatsende absegnen.

   Das Organisationskomitee der Olympischen Spiele in Sydney (SOCOG) ist zuversichtlich, dass es keine Probleme haben wird, den EPO-Test durchzuführen. «Darauf haben wir uns bereits seit drei Jahren vorbereitet», sagte SOCOG-Doping-Managerin Nikki Vance.

   Schwimmer Ian Thorpe, gegen den in der Vergangenheit Doping- Verdächtigungen aus Deutschland laut geworden waren, bezeichnete die Nachricht aus der Schweiz als «ersten Schritt zur totalen Auslöschung von Doping». Vielleicht geht jetzt auch Thorpes Wunsch in Erfüllung: Er hatte vor kurzer Zeit gesagt, er wäre stolz, als erster Sportler der Welt bei Olympia sein Blut für den Dopingtest zu geben. Der Weltmeister hofft darauf, dass bald auch ein zuverlässiger Test für Wachstumshormone zur Verfügung steht: «Aber das wird wohl nicht mehr vor den Spielen in Sydney der Fall sein.» Sein Kollege Perkins kritisierte allerdings auch, dass nur 300 Athleten in den zwei Wochen vor den Spielen im Training getestet werden sollen: «Das ist mit Sicherheit nicht genug.»

   EPO ist ein Blutdopingmittel, das vor allem von Ausdauersportlern verwendet wird. Australische Wissenschaftler hatten einen Bluttest entwickelt, französische einen Urintest. «Dass dieser Test akzeptiert worden ist, sendet eine Botschaft aus: Hört auf, EPO zu nehmen oder kommt nicht nach Sydney», sagte der Chef des australischen Forschungsteams, Drew Clark.

   In Australien können Athleten diesmal auch schon vor den Spielen (15. September bis 1. Oktober) zur Dopingprobe gebeten werden. Der Chef der australischen Sportkommission, Jim Ferguson, erklärte, man wolle am 1. oder 2. September mit den Tests beginnen. Dazu werden Vertreter des einheimischen Dopinglabors auch ins nördlich von Sydney gelegene Bundesland Queensland reisen, wo sich besonders viele Teams vorbereiten werden.


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